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    Die Goldkette: Das Potenzial der Blockchain im B2B

    Was kann die Kryptokette Blockchain im B2B-Bereich leisten? Drei Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft betrachten dazu die wichtigsten Anwendungsfelder der Technologie und zeigen Potenziale für den Handel auf: Nachverfolgung der Lieferkette, Abwicklungen über Smart Contracts, weniger Handelsbarrieren.

    In einem zweiten Blogbeitrag zum Thema “Blockchain im B2B” stehen die Hürden und Widrigkeiten im Fokus, die die Technologie aktuell noch zu überwinden hat, um wirklich im B2B Fahrt aufzunehmen.

    Blockchain im B2B:

    • Wie verändert Blockchain den Handel?
    • Anwendungsfälle aus dem B2B
    • Das kosten Blockchainlösungen

    Angenommen, ein Mann möchte sein Elektroauto aufladen und dafür den Strom nutzen, den eine Solaranlage auf dem Dach eines Wohnhauses produziert. Der Autofahrer und der Hausbesitzer kennen sich nicht, von Vertrauen ganz zu schweigen. Wie kann der Autofahrer sichergehen, dass er wirklich die abgenommene Strommenge bekommt, für die er gezahlt hat? Wie soll umgekehrt der Hausbesitzer darauf vertrauen, dass der Autofahrer nicht davonfährt, ohne zu bezahlen? Dieses Vertrauensproblem hemmt den Handel der beiden Parteien und lässt ihn womöglich sogar scheitern. Für genau diese wackeligen Handelsfundamente kann die Kryptodatenkette Blockchain eine Lösung bieten: In einem Smart Contract, einem Vertrag, der in einer Blockchain festgesetzt ist, könnte man die vereinbarte Strommenge festschreiben und bestimmen, dass nach Auslieferung des Stroms ein bestimmter Gegenwert an den Hausbesitzer geht. Alles automatisch, keiner muss dem anderen vertrauen. Stattdessen vertrauen beide dem Blockchain-Code, der Aktionen erst auslöst, wenn alle Bedingungen erfüllt sind. Ohne Instanz zwischen den Akteuren, schnell und transparent. Ein einfaches, digitales Wenn-Dann-Prinzip, auf das man sich verlassen kann. So einfach es klingt, so komplex sind die Anwendungsfelder - auch im B2B.

    Die wasserdichte Lieferkette

    Die Blockchain zur lückenlosen und transparenten Nachverfolgung der Lieferkette vom Hersteller über den Händler bis zum Kunden ist eines der großen Anwendungsfelder im B2B. In einer Studie der HTWK Leipzig etwa gaben 67 Prozent der befragten Unternehmen den Datenaustausch entlang der Lieferkette als Argument für die Nutzung der Technologie an. Im besten Fall könnte man mit in einer Blockchain hinterlegten Daten die Herkunft von Rohstoffen und die Produktion von Waren digital nachvollziehen. Dadurch könnte man zum Beispiel die Echtheit von Diamanten oder die Qualität von Fleisch zweifelsfrei bestätigen. „Der grundsätzliche Mehrwert einer Blockchain in der Lieferkette besteht darin, dass ein unveränderbares Verzeichnis aller Aspekte einer Transaktion geschaffen wird. […] Dieses Verzeichnis kann ein neues Fundament für Transparenz, Rückverfolgbarkeit und Vertrauen schaffen“, sagt Rainer Will, Geschäftsführer des österreichischen Handelsverbandes. Fälschungssicherheit ergibt sich aus der Blockchain, weil bei der ihr zugrunde liegenden „Distributed Ledger Technologie“ alle Daten und Informationen in einem offenen Netzwerk geteilt und validiert werden.

    Daten in der Kette sind transparent und nicht veränderbar, niemand kann sie nachträglich manipulieren. Als Anwendungsbeispiel nennt Will das Startup Chronicle, das Wein und andere Luxusgüter mit Mikrochips versieht und in einer Blockchain die dazugehörigen Daten hinterlegt. Mögliche Fälschungen sollen so schneller identifiziert werden. Gleiches ist natürlich auch im B2B denkbar, die Kette könnte Überprüfungen vereinfachen und die Qualitätssicherung digitalisieren.

    Schneller und günstiger handeln mit Smart Contracts

    Smart Contracts sind Datenprotokolle, die Verhandlungen oder Ausführungen von Verträgen verifizieren und durchsetzen können. Alle notwendigen Inhalte und Konditionen werden als Code in einer unveränderbaren und transparenten Blockchain abgelegt. Bei der Distributed-Ledger-Technologie teilen und verwalten alle Beteiligten die hinterlegten Informationen. Es gibt also keine Informationshoheit und keine Manipulationsmöglichkeit wie bei schriftlich abgestimmten Verträgen. Das Netzwerk validiert den Datensatz und stellt sicher, dass der Vertrag zu den vereinbarten Konditionen ausgeführt wird. Dabei werden keine Inhalte überprüft, sondern nur, ob der Code den Normen der Blockchain entspricht. Ist das der Fall, dann funktioniert die automatische Abwicklung der Abläufe. Wenn-Dann - Abweichungen sind nicht möglich. Wenn Solarstrom für das E-Auto freigegeben ist, dann wird der Hausbesitzer für genau diese Menge entlohnt. Wenn das Grundstück bezahlt ist, dann wird ein neuer Eigentümer elektronisch ins Grundbuch eingetragen.

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    Der automatische Ablauf spart Zeit und Geld, da die Abwicklungen beispielsweise nicht mehr an Öffnungszeiten von Banken geknüpft sind und Kosten für Notare und Bankaufträge entfallen. Etliche Transaktionen lassen sich damit automatisieren, die Technologie könnte das Kernstück der Industrie 4.0 werden, die eine direkte elektronische Kommunikation und Wertetransaktion ohne Zwischeninstanzen erlaubt. Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes Österreich, sagt, Smart Contracts könnten globale Handelsbarrieren reduzieren und damit den direkten Handel über Ländergrenzen hinweg begünstigen. Wie im oben genannten Beispiel des Hausbesitzers und E-Autofahrers ersetzen Smart Contracts die Notwendigkeit einer Vertrauensinstanz. Das macht den Handel unabhängiger von Dritten, deren Aufgaben lediglich darin bestehen, Informationen oder Werte zu verwalten, weiterzugeben, zu archivieren oder zu verifizieren. All das könnte in etlichen Fällen die Blockchain übernehmen. Prof. Wolfgang Prinz, stellvertretender Institutsleiter des Fraunhofer FIT Head of CSCW Research, sieht die aktuell großen Anwendungsfelder von Blockchain in der Vergabe von Zertifikaten oder Garantien. Unternehmen, deren Geschäftsmodell auf der Rolle als Intermediär – also der Rolle als dritte Instanz - aufbaut, rät er, ihre Dienste mithilfe von Blockchain kundenfreundlicher zu gestalten. „Es gibt Anwendungsfälle und mit denen sollte sich die Wirtschaft zeitnah auseinandersetzen“, sagt er.

    „Bei der Anwendung von Smart Contracts im B2B-Handel wird es vermutlich auf Permissioned Blockchains hinauslaufen“, sagt Prof. Prinz, denn die sind nicht öffentlich, die Teilnehmeranzahl ist begrenzt und der „Proof of work“ – der Arbeitsnachweis über Computerrechenleistung - ist geringer. Die Transaktionen passieren dafür schneller und sind nicht transparent einsehbar. Permissioned Blockchains sind Blockchains, deren Teilnehmer bekannt sind und die explizit dazu eingeladen worden sind, „es muss zwischen den Teilnehmern also schon ein gewisses Vertrauen bestehen, sonst würde man nicht dazu einladen“, sagt Dr. Ross King, Wissenschafteler am Austrian Institute of Technology (AIT). „Je weniger Teilnehmer, desto schneller geht es“, fasst King zusammen. Wichtig sei, dennoch genügend Teilnehmer zu haben, um die Verteilung unabhängiger Interessen zu gewährleisten, „ansonsten könnten sich Teilnehmer zusammentun und Daten manipulieren.“

    Vertrauen ist gut, Blockchain ist besser

    Den „Mittelsmann“ rauswerfen und die Unabhängigkeit von Dritten – das versprechen sich viele von der Technologie. Die Idee: Anstelle des Vertrauens untereinander, vertrauen alle Beteiligten in die Datenkette, da die transparent ist und Daten unveränderbar speichert. Manipulation von etwa Transaktionsprozessen sollen so ausgeschlossen werden. Das soll Sicherheit gebende Dritte, etwa Vermittlerplattformen oder Marktplätze, überflüssig machen. Prof. Wolfgang Prinz erklärt es einfach: „Aktuell würde ich nicht bei einem mir unbekannten asiatischen Einzelhändler kaufen, da hätte ich Bauchschmerzen, weil ich ihm nicht vertraue.“ Solche Zweifel können den Handel schädigen oder sogar verhindern. Deshalb suchen Kunden und Händler Plattformen, die einspringen, wenn es Probleme gibt, die Ware nicht ankommt oder das Geld auf sich warten lässt.

    „Man könnte dann Handel mit denen treiben, mit denen man sich das bisher nicht getraut hat.“

    Der Dritte ist der Ansprechpartner bei einer Transaktion, deren rechtmäßigen Ablauf keiner der Beteiligten dem anderen garantieren kann oder möchte. Die Bündelung von Anbietern um einige wenige solcher Drehscheiben, etwa Alibaba oder Amazon, verändert allerdings den Markt. Um die Wirtschaft wieder ein Stück davon zu lösen, könnte Blockchaintechnologie zum Einsatz kommen: Wenn der unbekannte Einzelhändler seine Lieferkette nachverfolgbar macht, die Daten in einer transparenten Blockchain hinterlegt und die Zahlung über Kryptowährungen abwickelt, dann ist gesichert, dass nur Geld fließt, wenn die bestellte Ware rausgeschickt wird. Sind alle Daten im Smart Contract korrekt hinterlegt, führt der sich automatisch aus. Die beiden Handelspartner müssen sich nicht mehr gegenseitig, sondern nur noch den unveränderbaren, von verschiedenen Netzwerkteilnehmern verwalteten Datenblöcken vertrauen. „Man könnte dann Handel mit denen treiben, mit denen man sich das bisher nicht getraut hat“, sagt Prof. Wolfgang Prinz. Bei Werten, die sich digital abbilden lassen, etwa Nutzungsrechten an einem Auto, Garantien oder Zertifikaten, gebe es bereits erfolgreiche Anwendungen. Damit dieser Ablauf auch bei physischen Waren funktionieren kann, braucht es einen enorm hohen Vernetzungs- und Digitalisiserungsgrad aller Stationen der Lieferung.

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    Unterm Strich: Kosten - Nutzen

    „Eine Blockchainlösung zu entwickeln kostet zwischen einem fünf- bis sechsstelligen Betrag“, so Prof. Prinz vom Fraunhofer Institut. Drei bis sechs Monate dauere es, bis man einen Prototyp einer eigens entwickelten Anwendung testen könne. Einige Basissoftwares sind sogar gratis und für kleine Anwendungen rechnet es sich eher, auf vorhandene Blockchains zurückzugreifen. Theoretisch könnte man für die Implementierung eine externe Firma verantworten. Prof. Prinz rät davon allerdings ab, „es ist nie gut, alles aus der Hand zu geben, man sollte auch eigene IT-Kompetenz haben“. Um zu prüfen, ob eine Blockchainlösung überhaupt sinnvoll ist, oder nicht doch eine Datenbank mit gemeinsamen Lese- und Schreibrechten reicht, braucht es eine gewisse Kenntnis der Technologie im eigenen Unternehmen, sagt Rainer Will weiter. Die Nutzer selbst brauchen hingegen keine besondere Kenntnis, „sie werden in den meisten Fällen nicht einmal merken, dass eine Anwendung über Blockchain läuft“, wie Prof. Prinz sagt. Rainer Will meint: „Jetzt ist die Zeit, innovative Pilotprojekte zu starten“. Er weiß, „viele B2B Unternehmen fangen jetzt erst an während etwa IBM seine Hausaufgaben schon gemacht hat.“ Er verspricht sich im B2B eine Rückverfolgbarkeit der Lieferkette und beispielsweise durch händlerübergreifende Treuepunkte eine höhere Kundenbindung. Voraussetzung bleibt die Rechts- und Steuersicherheit. Die Blockchain hat in jedem Fall Potenzial, den B2B-Handel zu verändern. Wie sehr, wird sich zeigen müssen. „Es ist wie mit Webseiten vor 30 Jahren. Da sah das alles lustig aus und niemand hätte gedacht, dass das mal ein riesiger Wirtschaftszweig wird. So ungefähr wird es wohl auch mit Blockchain werden“, sagt Prof. Prinz. „Falls sich die Technologie durchsetzt, zahlt sich die Investition in jedem Fall aus“, fasst Dr. King zusammen.

    In einem zweiten Blogbeitrag zum Thema “Blockchain im B2B” stehen die Hürden und Widrigkeiten im Fokus, die die Technologie aktuell noch zu überwinden hat, um wirklich im B2B Fahrt aufzunehmen.

    Wer schreibt hier?

    Julia Rau Autorin

    Mein Name ist Julia Rau und ich arbeite als Redakteurin bei Mercateo. Als ausgebildete Journalistin habe ich mehrere Jahre für Tageszeitungen die Nase in alles Mögliche gesteckt und u.a. eine Serie über Digitalisierung geschrieben. Meine unerschöpfliche Neugier treibt mich immer wieder zu all jenen Themen, denen die Bundesregierung ein „4.0“ in den Titel gehängt hat.

    Julia Melissa Rau

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