Keyvisual: Change-Management

    Change-Management: Vom Mitarbeiter zum Mitgestalter

    Die Wandlungsfähigkeit von Unternehmen ist überlebenswichtig. Um sich gegen Wettbewerber durchzusetzen, müssen Unternehmen anpassungsfähig sein und am Puls der Zeit bleiben. Dazu kann die Implementierung einer neuen Plattform oder eines Einkaufstools gehören, die Einführung agiler Arbeitsmethoden oder der Übergang zum papierlosen Büro. 70 Prozent der Veränderungsprojekte scheitern laut Harvard-Professor und Buchautor John P. Kotter. Drei Experten erzählen, was bei Veränderungsprozessen zu beachten ist.

    Veränderungsmanagement in Unternehmen:

    • Was Trauer und Change-Management gemeinsam haben
    • Weshalb uns Veränderungen schwerfallen
    • Warum Fehler so wichtig sind

    Die größte Rolle spielt der Mensch bei Veränderungsprozessen

    Unternehmen müssen sich Veränderungen stellen und brauchen ein funktionierendes Change-Management. Darunter versteht man alle Aufgaben und Maßnahmen zur Umsetzung von Veränderungsprozessen. Dazu zählen etwa die Einführung neuer Strategien, Prozesse, Systeme oder Verhaltens- und Arbeitsweisen. Veränderungen können nicht aufgehalten werden, aber sie lassen sich gestalten. Aufgabe des Change-Managements ist es, regelmäßig den Ist-Zustand zu überprüfen und – falls notwendig – Anpassungen anzustoßen. „In unserem Unternehmen sind wir neue Projekte mit sehr viel Freude angegangen“, sagt Stefan Papenberg. „Wir mussten diese Dinge erledigen und wir mussten sie früher umsetzen als unsere Mitbewerber, sonst laufen wir immer hinterher.“ Als Leiter der Materialwirtschaft bei Hesse Lignal weiß er um die Wichtigkeit eines gut funktionierenden Change-Managements. Das auf Lacke und Beizen spezialisierte Familienunternehmen aus Hamm setzt auf eine ganzheitliche Digitalisierung von Geschäftsprozessen und versucht, manuelle Prozesse weitestgehend zu eliminieren. Nicht die Technik, sondern der Mensch ist bei Veränderungsprozessen das größte Hindernis: Dabei sind der Widerstand gegen die Veränderung und das Zurückfallen in alte Muster ganz natürlich bei allen Veränderungsprozessen.

    Was haben Trauer und Change-Management gemeinsam?

    Veränderungskurve des Change-Managements Die Kurve zeigt, wie Menschen auf Veränderungen reagieren.

    Es gibt unterschiedliche Modelle von Veränderungsprozessen, die in verschiedenen Verlaufskurven dargestellt werden können. Ein bekanntes Modell basiert auf den fünf Phasen der Trauer von Elisabeth Kübler-Ross. Die Sterbeforscherin beschrieb darin das Erleben und Verhalten von Sterbenden: Das Nicht-wahrhaben-wollen, Zorn, Verhandeln, Depression/Leid und Zustimmung. Dieses Modell lässt sich auch auf Veränderungsprozesse im Unternehmen übertragen und in einer Verlaufskurve (siehe Darstellung) zeigen. Dabei ist es egal, um welche Änderung es sich handelt. In der Veränderungskurve kann man sehen, wie Menschen auf Veränderungen reagieren und sich ihr Verhalten und ihre Gefühle im Laufe des Prozesses typischerweise entwickeln. Jeder Mitarbeiter durchläuft diese Phasen ganz individuell, der eine schneller, der andere langsamer. Das Change-Management muss den Mitarbeitern helfen, diese Phasen möglichst reibungslos zu durchleben. Das hat auch Stefan Papenberg in verschiedenen Unternehmen erlebt: „Es ist viel Arbeit, Leute aus eingetretenen Pfaden zu kriegen und ihnen neue Prozesse an die Hand zu geben.“ Häufig stelle man die negativen Dinge in den Vordergrund und könne sehr schnell beschreiben, warum Dinge nicht funktionieren. „Wenn man den Blick mal in die andere Richtung wirft und die Chancen als Erstes sieht, und alle Hindernisse als Aufgaben sieht, um diese umzusetzen, dann kommt man sehr schnell ans Ziel“, so Papenberg.

    Warum 70 Prozent der Veränderungsprojekte scheitern

    Der Harvard-Professor und Buchautor John P. Kotter hat in den 1990er Jahren Veränderungsprojekte untersucht und festgestellt, dass 70 Prozent von ihnen scheitern. Die Ursachen liegen meist in der fehlenden Akzeptanz und mangelnder Einbindung der Mitarbeiter. Kotter entwickelte ein 8-Phasen-Modell und definierte Hinweise und Maßnahmen, die zum Gelingen der Veränderungsprojekten beitragen.

    Zu einer wichtigen Maßnahme gehört die Dringlichkeit. Laut John P. Kotter ist eine kritische Masse für den Wandel entscheidend. Die Notwendigkeit, etwas zu verändern, müsse einer soliden Basis als dringend genug erscheinen; sonst wird es keinen Wandel geben. Dazu müssten die Mitarbeiter zunächst verstehen, warum sie ihre Arbeitsweise ändern sollten. Erst, wenn sie überzeugt seien, könne die Veränderung erfolgreich vorangetrieben werden.

    Im Change-Management ist es ratsam, frühzeitig und regelmäßig die Mitarbeiter zu informieren, auf Ängste und Fragen einzugehen und ihnen zu erklären, dass ein anstrengender Weg vor allen liegt - der sich aber lohnt. Wird das versäumt, riskiert das Unternehmen, dass Angst und Widerstand das Projekt zum Scheitern bringen, sagt Stefan Papenberg. „Die Mitarbeiter von Betroffenen zu Beteiligten zu machen und ihren Ängsten begegnen“, rät er; „bei uns hatte keiner Existenzängste, weil auch jeder das Potential und die Aufgaben in der Digitalisierung unserer Geschäftsprozesse gesehen hat.“

    Offen über Ängste sprechen

    „Oft liegt es nicht daran, dass man es nicht versteht, sondern es stecken Ängste dahinter, die Befürchtung, den Arbeitsplatz zu verlieren; vielleicht fehlt es auch an Knowhow”, sagt Stefan Papenberg. Angst und Unsicherheit bei Veränderungen seien völlig normal und zutiefst menschlich. Angst und Widerstand könnten aber auch ein Zeichen dafür sein, dass etwas im Prozess nicht stimmt. “Wir müssen einen Weg finden, den Mitarbeiter mit an die Hand nehmen und ihn überzeugen“, sagt Papenberg.

    Und was passiert mit den Menschen, die nicht wollen, nicht können oder blockieren? „Die sind dann vielleicht an einem anderen Arbeitsplatz besser aufgehoben. Das sollte allerdings die letzte Lösung sein“, gibt Papenberg zu bedenken. „Aber, wenn man sich überlegt, was deren Ängste sein könnten, dann lässt sich schnell ein Hebel, eine Lösung finden. Davon bin ich überzeugt.“ Nach Einschätzung des Change-Experten Klaus Pause, müsse kein Mitarbeiter befürchten, in Zukunft einfach wegdigitalisiert zu werden: „Maschinen können nicht alles, auch Maschinen müssen bedient werden.“ Er rät deshalb, den Mitarbeitern zu erklären, dass ihre Position nicht gefährdet ist, weil Menschen für bestimmte Aufgaben unentbehrlich bleiben werden: „Maschinen können nunmal keine Beziehungen aufzubauen, pflegen oder menschlich emotional kommunizieren“. Um die Veränderungen zu begleiten, können Unternehmen auf interne oder externe Fachkräfte zurückgreifen. Matthias Heinze von Mercateo beispielsweise begleitet Kunden bei der Einführung eines neuen Einkaufstools. Als Rollout-Experte bei der Beschaffungsplattform Mercateo unterstützt er Unternehmen bei der Nutzerdurchdringung; schult Mitarbeiter und ist Ansprechpartner bei Fragen. „Erfolgreich ist ein Projekt beim Kunden immer erst dann, wenn es wirklich von den Mitarbeitern akzeptiert und die neue Einkaufslösung als Chance wahrgenommen wird“, sagt Heinze. „Deshalb sind nach meinen Erfahrungen Information, Transparenz und eine zielgruppengerechte Ansprache von enormer Bedeutung.“ Das schaffen Heinze und seine Kollegen durch Webinare und Vor-Ort-Schulungen. „Wir sprechen mit den Mitarbeitern auf Augenhöhe und gehen auf ihre Ängste und Fragen.“ Die meisten werden erreicht, aber es werde immer den ein oder anderen geben, der sich der Veränderung “verwehrt”.

    Zeit zum „Üben“ geben

    Nicht nur Ängste, sondern auch alte Verhaltensmuster können Veränderungsprozesse ausbremsen. Das menschliche Gehirn ist ein wahrer Automatisierungsspezialist. Wenn etwas zu vereinfachen geht, legt es dafür einen standardisierten Ablaufplan an. Für das bewusste Abweichen von gelernten Mustern benötigt es allerdings sehr viel Energie. Das führt in Veränderungsprojekten häufig dazu, dass Mitarbeiter schneller erschöpft sind. Das spiegelt sich mitunter in einer schwächeren Leistung wider. Was ihnen hilft, ist genug Zeit, um den Wandel zu durchleben. Sie brauchen Zeit zum „Üben“ und den nötigen Rückhalt, wenn sie dabei Fehler machen. Das setzt allerdings eine Fehler- und Vertrauenskultur voraus, die es ermöglicht, Lösungen zu entwickeln statt Ängste zu schüren. „Schaffen Sie eine Kultur der Fehler, nicht ‘Do things first right’”, fordert deshalb Pause, der bei Adidas und Sportscheck Change-Management-Projekte vorangetrieben hat. „Bringen Sie den Menschen in eine Position, wo er sich entwickeln muss und Fehler machen darf.“

    Die kleinen Erfolge schätzen

    Sollen Mitarbeiter den Wandel über Monate unterstützen und die Veränderung mittragen, ist es wichitg, kleine Fortschritte zu feiern und sich gemeinsam über Zwischenergebnisse zu freuen. Fortschritte feiern ist im Change-Management wichtig. Ist das Change-Projekt gemeistert, werden rückblickend alle Kollegen davon erzählen, wie sie es gemeinsam geschafft haben und jeder Einzelne wird reicher an Erfahrungen sein. Das haben auch Experimente von Psychologen gezeigt: Je mehr ein Mensch an einer Sache mitgestalten kann, desto wertvoller wird das Ergebnis für ihn.

    Change-Management: Zwischenfreuen ist wichtig

    „Trauen Sie sich, machen Sie es, aber investieren Sie nicht nur in Software oder Tools, investieren Sie auch in einen professionellen Change-Experten“, empfiehlt Change-Experte Klaus Pause. „Wir hatten ein eigenes internes Change-Management-Team von Spezialisten, die uns in großen Projekten in dieser Richtung begleiteten, schulten, uns halfen, solche Mammutprojekte aus Veränderungssicht zu begleiten und nicht nur die Projektmanagementbrille darauf zu haben.“ Stefan Papenberg hat sich bei der Umsetzung seines Digitalisierungsprozesses externe Unterstützung gesucht. Sein Tipp: „Sich jeden Tag hinterfragen, keine Angst haben vor der Veränderung und dann einfach machen.“ Papenberg rät außerdem: „Wenn die Mitarbeiter überladen sind, geht es meistens in die andere Richtung. Deshalb ist eine Roadmap wichtig, wo will ich hin? Schreiben Sie Prioritäten und Zeitfresser auf, um besser planen zu können. Dann ist es schon fast ein Selbstläufer.“

    Wer schreibt hier?

    Kathrin Bauer

    Ich heiße Kathrin Bauer und arbeite seit 2008 als Redakteurin bei Mercateo. Am Thema Digitalisierung interessiert mich der gesellschaftliche Wandel. Ich sehe im technologischen Fortschritt eine große Chance für Wirtschaft und Gesellschaft, sich zu entwickeln. Aus diesem Grund ist es mir wichtig, die positiven Effekte auszuleuchten und damit anderen Mut und Lust zu machen auf das, was kommen wird.

    Kathrin Bauer